Kaum hat der Regionalverband Ruhr (RVR) seine neuen Pläne zur Verringerung der Abbaufläche von Kies und Sand am Niederrhein veröffentlicht, kocht in den betroffenen Orten das Thema wieder hoch. In Alpen, Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn und Rheinberg sollen insgesamt drei von 17 Abbauflächen verschwinden. Immerhin eine Verringerung der Gesamtabbau-Fläche um satte 20 Prozent. Zu wenig - finden die Betroffenen. Die Bauwirtschaft mahnt zur Besonnenheit.
„Ich kann sehr gut verstehen, dass sich Sand- und Kiesgruben keiner großen Beliebtheit bei Anwohnern erfreuen“, erklärt Hermann Schulte-Hiltrop, Hauptgeschäftsführer der BAUVERBÄNDE.NRW. „Aber die Wahrheit ist und bleibt, ohne heimische Sand- und Kiesförderung kann einfach nicht gebaut werden.“ Zu diesem Ergebnis kommt übrigens auch die 2022 vom Wirtschaftsministerium veröffentlichte RWI-Studie zur mineralischen Rohstoffversorgung. Selbst das Bundesumweltamt sieht in den nächsten Jahrzehnten nur eine maximale Einsparmöglichkeit von 33% bei Sanden und Kiesen. Und das auch nur, falls Aufbereitungstechniken konsequent weiterentwickelt werden können. Der Bedarf an diesem Rohstoff, der am Niederrhein zu Genüge verfügbar ist, bleibt damit hoch.
Dabei ist der Erhalt von Sand- und Kiesgruben nicht nur eine Frage der technischen Umsetzbarkeit, sondern auch eine der stetig steigenden Baukosten. Zinswende, Materialengpässe und Fachkräftemangel haben die Baupreise enorm nach oben getrieben. Die Auswirkungen spürt jeder Bauherr zu Genüge. „Die Schließung weiterer Abgrabungsflächen oder die für 2024 geplante Zusatzabgabe auf Sand und Kies ziehen die Kostenschraube noch weiter an“, fasst Herrmann Schulte-Hiltrop das Problem zusammen. „Wie sollen wir unsere Klimaziele im Bausektor umsetzen, wenn sich bald niemand mehr das Bauen leisten kann?“ Selbst Großunternehmen wie Vonovia haben jegliche Neubauprojekte für 2023 eingestellt, da sie sich nicht mehr rentieren.
Zuletzt gab es immer wieder umweltrechtliche und naturschutzrechtliche Bedenken gegen den Kiesabbau. Natürlich birgt jeder Eingriff in die Umwelt grundsätzlich Risiken und gerade bei Nassabgrabungen betreffen diese den Grundwasserschutz. Daher gibt es strenge Auflagen, angefangen bei Umweltverträglichkeitsprüfungen, der Installation von Grundwassermessstellen zur Überwachung der Wasserqualität, regelmäßige Untersuchungen des Seewassers sowie des Seesediments. Die Baggerseen müssen die Ansprüche der Wasserrahmenrichtlinie erfüllen und dürfen somit zu keiner Zustandsverschlechterung des Grundwassers führen. Im Anschluss der Abgrabung sind die Betreiber verpflichtet, die Gruben und Baggerseen zu renaturieren.
Beim Sand- und Kiesabbau treffen viele Positionen und Interessen aufeinander. Die BAUVERBÄNDE.NRW empfehlen, das Thema in seiner Gesamtheit zu betrachten. Und dass, bevor einseitige Einsparungen vorgenommen werden, die nach hinten raus weitaus größeren Schaden anrichten.
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