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Die Krise in der Bauwirtschaft spitzt sich zu

Bis zu 30 Prozent Umsatzrückgang, keine neuen Aufträge und das Damoklesschwert der Kurzarbeit immer im Nacken. So stellt sich die Situation dar, wie sie Baubetriebe, Hersteller und Baustoffhändler aktuell erleben. Die Baubranche, die von enormer Bedeutung für die deutsche Wirtschaft ist, verzeichnet drastische Einbrüche. Daraus resultieren Forderungen nach Planungssicherheit und einfachen, effektiven Anreizen.

An einem „Round-Table“ im Bauchfachzentrum Fretthold in Bünde konnte sich Stefan Schwartze, Bundestagsabgeordneter der SPD aus dem Wahlkreis (133) Herford – Minden-Lübbecke II, jetzt selbst ein Bild der Lage machen.

„Die Lage in der Bauwirtschaft hat sich dramatisch verschlechtert“, zeichnet Ulrich Beckmann, Geschäftsführender Gesellschafter bei Fretthold, ein düsteres Szenario. „Nicht nur für die Bau-Betriebe und Hersteller, sondern auch für uns Händler. Wir haben die schizophrene Situation, dass Wohnraum im großen Umfang fehlt, aber aufgrund der negativen Rahmenbedingungen viel zu wenig Wohnungen gebaut werden! Die von der Bundesregierung geplanten 400.000 Neubau-Wohnungen drohen im Jahr 2024 auf lediglich 200.000 abzusinken. Im sozialen Wohnungsbau wurden statt 100.000 Einheiten nur 25.000 gebaut - hier sind massive gesellschaftliche Probleme vorprogrammiert!!“

 

„Sorgenvolle Blicke der Beschäftigten“

Bis zu 30 Prozent an Umsatz habe man in der jüngsten Vergangenheit eingebüßt. „In den Gesprächen mit den Mitarbeitern erkennt man deren Zukunftssorgen“, so Beckmann. Immerhin spricht er in dem 135 Jahre alten Unternehmen für 250 Beschäftigte.

„Es ist wirklich so schlimm, wie noch nie“, pflichtet auch Stephan Becker, Obermeister der Baugewerkeinnung Herford ihm bei. „Maximal bis zum Herbst sind die Auftragsbücher noch gefüllt, danach wird allerspätestens ein riesengroßes Loch entstehen.“ Es müssen nun dringend Investitionsanreize her“, fordert Becker. „Ansonsten kommt ein riesiges Schwergewicht der deutschen Wirtschaft mächtig ins Trudeln.“

 

Wirtschaftsvolumen fast so groß wie der Bundeshaushalt

Fast 2,5 Millionen Beschäftigte arbeiten in der deutschen Bauwirtschaft (Stand Juli 2021) und diese sind mit einem Volumen von 444 Milliarden Euro pro Jahr ein bedeutsamer Wirtschaftszweig in der deutschen Volkswirtschaft. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt im Jahr 2023 beträgt 476 Milliarden Euro.

Die Gründe für die Krise in der Branche sind vielfältig. Die Auswirkungen der Corona-Krise und des Ukraine-Kriegs spielen nur eine Teilrolle. Immer höhere Standards, Bürokratie, Energiekosten, Abgaben, Zertifikate und vor allem eine komplette Verunsicherung der Bevölkerung sind hausgemachte Probleme in Deutschland. „Nicht nur das Bauen kann sich keiner mehr leisten, der Produktionsstandort ist auch viel zu teuer geworden. Die Mehrzahl der Lieferanten hat bereits Werke abgeschaltet oder heruntergefahren.“, weist Julian Beckmann, Geschäftsführer der Fretthold-Gruppe, auf die Missstände hin.

Torben Missal, der mit seinem kleinen Baubetrieb ebenfalls einer ungewissen Zukunft entgegensteuert, erklärte, man brauche zuverlässige Programme und Anreize, die das Bauen und die Produktion nachhaltig ankurbeln. „Wir wollen ja anpacken und mitmachen, aber wir brauchen Planungshorizonte von zwei bis drei Jahren.“

 

Ein Kraftakt in der Ampel-Koalition

schwartze fretthod buende 01In der Bundesregierung habe man die Probleme erkannt, verdeutlicht Stefan Schwartze. „Aber es ist auch immer wieder ein Kraftakt, bis man in der Ampel-Koalition die Ergebnisse spruchreif auf dem Tisch hat“, so der Abgeordnete. „Das Wichtigste ist, dass wir das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen.“

Nach der Klausurtagung in Meseberg wollen die Koalitionäre effektive Programme auf den Weg bringen, verspricht der SPD-Politiker. „Es wird ganz sicher Investitionsanreize geben, die das Bauen wieder attraktiver machen. Dazu wollen wir degressive Abschreibungen und einen Industrie-Strompreis durchsetzen.“

Ulrich Beckmann hat bereits konkretere Vorschläge parat: „Erhöhen Sie die Abschreibungen bei Neubauten von drei auf sieben Prozent und bei Sozialbauten auf zehn Prozent“, so der Familienunternehmer. „Außerdem ist die Grunderwerbssteuer in NRW mit 6,5 Prozent deutlich zu hoch. Bayern hat diese bei nur 3,5 Prozent deutlich niedriger angesetzt.“

 

Zinssenkungen, Abschreibungen und Mehrwertsteuererlass

Zudem würde auch eine Senkung des Zinssatzes für Neubauten auf zwei Prozent deutliche Anreize setzen. Eine Herabsetzung der Mehrwertsteuer für Bauleistungen wären ein weiteres probates Mittel. „In jedem Fall brauchen wir einfache und sinnvolle Förderprogramme. Durch den aktuellen Dschungel steigt niemand mehr durch. Extrem wichtig ist die sehr kurzfristige Umsetzung der Maßnahmen, ansonsten drohen die Probleme zu eskalieren:  soziale Spannungen aufgrund der zunehmenden Wohnungsnot, Absturz der Bauwirtschaft und Abwanderung der ohnehin fehlenden Fachkräfte im Bausektor“, warnt Ulrich Beckmann.

Ob und wie sich die „Ampel“ diesem Thema nähert, darf mit Spannung erwartet werden. Wenn das nicht passiert, dann droht schon bald das Horror-Szenario mit Kurzarbeit und Entlassungen. „Wer das Kurzarbeitergeld bezahlt, sollte auch jedem klar sein“, gibt Julian Beckmann noch einen entscheidenden Hinweis in Richtung Staatshaushalt.“

„Wir brauchen schnelle Ideen und Ansätze um das zu vermeiden“, will Torben Missal soweit noch nicht denken. Und bringt es mit seinem Abschluss-Plädoyer komplett auf den Punkt. „Wir sind noch ein paar Meter vom Abgrund entfernt. Es wird Zeit zu reagieren, denn da wollen wir alle nicht hin.“

Der Betriebsbesuch von Stefan Schwartze im Baufachzentrum Fretthold kam auf Initiative des Geschäftsführers Ulrich Beckmann zustande. Die Bauunternehmer Stephan Becker und Torben Missal haben sich diesem Termin im Rahmen der Kampagne „Baubetriebe briefen Abgeordnete“ angeschlossen, die die BAUVERBÄNDE.NRW gemeinsam mit ihren fast 5000 Mitgliedsbetrieben initiiert haben. Landesweit haben bereits mehrere Bundestagsabgeordnete auf die Aktion reagiert und betroffene Betriebe besucht.  

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